Schacholympiade 2012: Tag 4

Kein Glück gegen China

Heute durfte ich zum Glück aussetzen und meine Mannschaftskameradinnen vom Hotelzimmer aus anfeuern. „Zum Glück“ sage ich nicht deswegen, weil ich lieber shoppen gehen möchte oder Angst vor den Chinesinnen habe, sondern weil mir nach meiner gestrigen Niederlage eine Auszeit wahrscheinlich ganz gut tut. Das ist das Positive an Mannschaftsturnieren, dass eine Mannschaft eben aus fünf Spielerinnen besteht und man in solchen Situationen davon profitieren kann. Ich erinnere mich noch an Jugendweltmeisterschaften, bei denen ich nach einer unglücklichen Niederlage gleich die nächsten Partien auch noch verloren habe, weil ich das Missgeschick eben noch nicht vollständig verarbeitet hatte und in den darauffolgenden Runden dann krampfhaft auf Sieg gespielt habe. Mit der Zeit habe ich natürlich an meiner Niederlagen-Wegsteck-Technik gearbeitet, bin aber immer noch eine sehr schlechte Verliererin (besonders bei so wichtigen Turnieren wie der Olympiade). Inzwischen geht es mir aber wieder richtig gut und ich freue mich auf die nächste Runde. Denn irgendwie ist es noch viel schlimmer, wenn man die Partien im Internet verfolgt und in jeder kritischen Stellung und in den Zeitnotphasen und eigentlich die ganze Zeit total mitfiebert und hofft, dass die richtigen Züge gemacht werden. Jetzt kann ich auch meine Eltern verstehen, die früher vor jeder Deutschen Meisterschaft viel aufgeregter waren als ich. :-)

Ich wurde gefragt, warum die deutsche Mannschaft nicht in Teamkleidung spielt. Nun, das ist natürlich eine berechtigte Frage. Es gibt einige Mannschaften, die jeden Tag in einheitlicher Kleidung antreten – bei den Frauen fallen mir da an erster Stelle die Polinnen ein, die über wirklich schicke Mannschaftskleidung verfügen. Bei uns ist es so, dass wir zwar einheitliche Kleidung haben (bei den Frauen sind es Bluse und Blazer, bei den Männern Hemd und Sakko), diese aber nicht ausreicht um täglich getragen zu werden. Manche Schachspieler haben zwar die traurige Angewohnheit nur einen Pulli und eine Hose für das gesamte Turnier einzustecken, diesem Trend wollen wir aber nicht nacheifern. Und deshalb wird die Mannschaftskleidung nur zu bestimmten Terminen (wie etwa der Eröffnungsveranstaltung oder der Siegerehrung) angezogen. Und vielleicht sieht man es auch auf den Fotos, dass wir zumindest die Blazer immer zur Runde dabei haben und wenn es zu warm ist dann wenigstens über den Stuhl hängen. Vielleicht wird es aber in Zukunft so sein, dass wir über mehrere Garnituren verfügen und dann jede Runde auch äußerlich als Mannschaft zu erkennen sein werden.

Eine weitere Frage bezog sich auf die Wertung. Das war mir ehrlich gesagt bis heute auch nicht klar und ich habe mich beim Mittagessen erst mal informieren müssen. Anscheinend besteht die zweite Wertung (nach den Mannschaftspunkten) nicht aus den Brettpunkten sondern Sonneborn-Berger. Ich habe mich daraufhin sogleich bei Wikipedia schlau gemacht und folgende Erklärung dort gefunden: „Hier werden die erzielten Brettpunkte jedes Matches mit der während des gesamten Turniers erzielten Matchpunktzahl des Gegners multipliziert und dann addiert; die Matchpunkte des Gegners mit den wenigsten Matchpunkten werden jedoch nicht mitgerechnet; die allerschwächsten Teilnehmer sollten nämlich keinen Einfluss mehr auf den Turnierausgang und die Medaillen-Verteilung haben.“ Der Sinn besteht darin, dass so die Stärke der gegnerischen Mannschaften mit einberechnet wird und man keinen so klaren Vorteil hat, wenn man gegen mehrere sehr schwache Mannschaften spielt.

Okay, zum heutigen Tag. Ich habe heute eigentlich nichts Aufregendes erlebt. Ich habe einen Vortrag über Entwicklungspsychologie und Schach vorbereitet, mich sonst aber eher weniger mit Schach auseinandergesetzt. Ein bisschen Krafttraining, ein paar Seiten Lesen und einige organisatorische Dinge für die Uni waren Bestandteile meines Tagesablaufs. Und natürlich mitfiebern. Leider hat es am Ende nur für ein 1-3 gereicht, gegen China kann man aber durchaus mal verlieren und die Mädels haben sich wacker geschlagen.

Bei unseren Männern lief es etwas besser. Ich denke mit einem 2-2 gegen Aserbaidschan kann man echt zufrieden sein. Dabei wär mit etwas Glück bestimmt auch mehr drin gewesen, da Arkadij nicht unbedingt hätte verlieren müssen. Jedenfalls sprang die Enginebewertung mit einem Zug von 0.00 auf 0.82 und dann zwei Züge später auf 1.88. Auch für Igor wär vielleicht mehr drin gewesen. Ob das Endspiel für ihn gewonnen gewesen wär, kann ich nicht beurteilen. Auf jeden Fall spielte nur er auf Sieg und am Ende wurde es eben Remis. Das Unentschieden von Georg zeichnete sich dagegen schon im Mittelspiel ab. Die gesamte Partie bewegte sich im Ausgleich-Bereich und so war das Dauerschach zum Schluss das logische Ende einer umkämpften aber doch vom Ergebnis her absehbaren Partie. Daniel stand eigentlich von Anfang an gut und konnte seinen Vorteil stetig vergrößern und am Ende in einen Sieg verwandeln. Glückwunsch an das deutsche Herrenteam, das mit 7 Mannschaftspunkten sehr gut im Rennen liegt.

Morgen spielen wir gegen Kuba. Eine gute Mannschaft, die bisher auch ordentliche Leistungen gezeigt hat, aber heute gegen Georgien eine 0-4-Klatsche einstecken musste. Hoffen wir, dass sie sich davon noch nicht ganz erholt haben und morgen gleich noch eine Niederlage hinterherkommt…