Schacholympiade: Tag 10

Drama gegen Vietnam

Ich habe es schon seit mehreren Tagen geahnt und nun ist es leider so weit: Ich bin krank. Naja, „krank“ klingt ein bisschen zu dramatisch. Eigentlich ist es nur eine leichte Erkältung gespickt mit Kopfschmerzperioden. Aber ich bin hier nicht die Einzige, die es erwischt hat. Ich habe nun schon von mehreren Leuten gehört, dass sie sich nicht so gut fühlen und es gibt einige, die mit roter Nase und Taschentuch im Gesicht rumlaufen. Schuld daran sind höchstwahrscheinlich die Klimaanlagen. Unser Hotel verfügt nämlich über Fenster, die nur nach einem Anruf bei der Rezeption zu öffnen bzw. zu schließen sind. Und da die meisten sich diese Umstände ersparen wollen, muss die Klimaanlage als Alternative herhalten. Diese versorgt das Zimmer jedoch nur mit frischer Luft, wenn sie kälter als die Zimmertemperatur eingestellt ist und so ist es nicht verwunderlich, dass die Hälfte der Hotelbewohner an Schnupfen leiden.

Außerdem regnet es aus unerklärlichen Gründen in mein Zimmer. Auch das klingt jetzt erst mal aufregender, als es eigentlich ist. Aus einer Art Falltür (so sieht es jedenfalls von unten aus) kommen in regelmäßigen Abständen Wassertropfen hervor, die dann mit einem „plopp“ auf das von mir darunter ausgebreitete Handtuch fallen. Ich hatte die Hoffnung, dass es sich nur um eine kurzfristige Angelegenheit handelt, werde wohl aber doch bald jemanden von der Rezeption rufen müssen.

Ebenso befremdlich ist das Verhalten meines Fernsehers, den ich hier bisher erst einmal kurz in Betrieb genommen habe. Jeden Vormittag (ungefähr zur gleichen Uhrzeit) geht er einfach an. Ihr glaubt gar nicht, wie ich mich das erste Mal erschrocken habe, als ich plötzlich eine Stimme hinter mir vernommen hab. Inzwischen habe ich mich schon fast daran gewöhnt und finde es irgendwie amüsant.

Ansonsten habe ich heute beim Mittagessen erfahren, dass mehrere Spieler bereits in ihren Zimmern beklaut worden sind. Es fehlt Geld, eine Jacke, Zigarettenschachteln und weitere Wertgegenstände. Bei mir ist zum Glück noch alles da, ich werde nun aber mein Portemonaie nicht mehr so offensichtlich auf dem Tisch rumliegen lassen.

Trotz dieser weniger erfreulichen Umstände geht es mir gerade richtig gut. Wir haben nämlich 2,5 gegen Vietnam gewonnen, obwohl es zwischendurch alles andere als nach einem Sieg für uns aussah. Jetzt können wir wieder vorne mitspielen und mit etwas Glück noch eine richtig gute Platzierung erreichen.

Bei den Männern lief es heute leider nicht so gut. Gegen Armenien mussten sie eine bittere Niederlage einstecken. Bitter deswegen, weil beide Verlustpartien lange Zeit nicht danach aussahen, als ob es Verlustpartien werden würden. Arkadij landete gegen Aronian in einem ungleichfarbigen Läuferendspiel und wer bisher dachte, dass diese Art von Endspielen (vor allem mit gleicher Bauernanzahl) eigentlich immer remis ausgeht, der wurde mit dieser Partie leider eines besseren belehrt. Auch das Damenendspiel von Georg sah lange Zeit haltbar aus. Allerdings verfügte sein Gegner über einen entfernten Freibauern, was solche Art von Endspielen immer sehr unangenehm macht. Der Partieausgang wurde aber vorschnell herbeigeführt, indem Georg einen Dameneinsteller übersah. Igor hatte bereits im 32. Zug in ein Remis eingewilligt. Zu diesem Zeitpunkt waren die beiden Verluste aber noch nicht vorhersehbar gewesen. Der Computer zeigt zwar einen deutlichen Vorteil für Igor an, die Stellung ist aber nicht so einfach zu überblicken und ich denke, dass der Bundestrainer angesichts der unklaren Partien an 1 und 3 und Daniels klar besserer Stellung die Punkteteilung bewilligt hat. Ja, Daniel ist ein echter Punktegarant. Auch heute konnte er mit einem souveränen Sieg gegen Gabriel Sargissian (2693) überzeugen und mit 6,5/8 eine hervorragende Performance erzielen.

Morgen haben wir nach der Runde ein Meeting im deutschen Generalkonsulat und anschließend ein Essen mit den deutschen Funktionären. Ich werde morgen also höchstwahrscheinlich nicht zum Schreiben kommen und dann erst übermorgen wieder von mir hören lassen.

 

Bis dahin herzliche Grüße aus Istanbul!